Zielklar durchs Nadelöhr

Jenseits des Nadelöhrs ist glückselige Freiheit, und du bist dann dort angelangt, wenn Du Dich selbst in jeder Lage, sei sie freud- oder leidvoll als Glückseligkeit wahrnimmst. Dann ist für Dich alles Leben zu Deinem eigenen unendlichen Raum geworden, es ist mit Dir Eins und Du hast Dich für Dich selbst und andere zur Sonne gewandelt. Dann lebst Du wie in ewigen Ferien, die ständig neue Freude bringen, zeitlos unbeschwerte Tage und Jahre, in denen Du nichts anderes denkst als das was Dich freut, gar nichts anderes denken musst als an das, was Du von Kindheit an schon gewünscht hast.

Dem Leben dankbar blickst Du zurück auf den schmalen Pfad, der Dich das Ziel erreichen ließ und weißt nun wie notwendig es war, besonders in schwierigen Situationen Deine Fähigkeit zu erproben, alles „wie nichts“ zu erachten und nur das Eine zu wollen. Du weißt nun aber auch, woher Dir Hilfe kam, so dass Du es mutig wagen konntest, die „breiten Straßen“ mit all ihren vermeintlichen Wichtigkeiten zu verlassen und stattdessen in stillem Vertrauen den Anstieg zu beginnen, mit Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit, täglich neu des Einen innezuwerden, Begehren und Ängste zurückzulassen, um letztendlich dem Geheimnis näherzukommen, das mit Dir selbst gegeben ist.

Selbstverständlich war es dazu für Dich notwendig, manche Neigungen zu überwinden, Verstrickungen aufzulösen, Dein Maß zu finden, alles möglichst zu vereinfachen und Dich nicht zu verzetteln. Wie solltest Du anders auf dem Weg bleiben und den täglichen Erfordernisses des Tages gerecht werden, so wie es Notwendigkeit von Dir verlangt? Denn wie könntest Du anders über alles hinaus zu Dir selbst finden, zu Deinem ICH, Deiner Bestimmung, dem Einzigen, worauf Du Dich berufen kannst, wenn alles andere nicht mehr zählt?: Was Du vor  anderen giltst, Positionen, Besitzungen ebenso wie alte Manuskripte, an denen Du vielleicht noch hängst und die doch schon wieder wie ein Provisorium überholt sind… Was bleibt nach alledem? Überlege, denke bis zum letzten Grund und fühle:

Und hast Du einer Welt Besitz gewonnen,
geh, an der Welt vorüber, es ist nichts.
Und hast Du einer Welt Besitz verloren,
geh an der Welt vorüber,
es ist nichts.
Vorübergehen Leid und Wonnen,
geh an der Welt vorüber,
es ist nichts.

Finde hier letztmögliche Weisheit, Weisheit des Überlegenen, der alles lassen und daher gelassen sein, sich so klein machen kann, um nur mehr im Augenblick zu leben. Weisheit dessen, der immer im Jetzt und Hier zielklar im Nadelöhr das Tor zur wahren Freiheit findet, der nichts mehr will als in der Wirklichkeit des Seins zu leben, die den Tod nicht kennt.

Albert Grohs, 2011, www.zielklar.at