Merkblatt zum Umgang mit Sekten

von Klaus John

“In solchen Sekten herrscht eine streng autoritäre Binnenstruktur, die wiederum Ausdruck eines universellen Machtstrebens ihrer Führer ist. Die einzelnen Mitglieder sind einem System von materieller Ausbeutung und mentaler Abhängigkeit ausgesetzt, denen sie oft nur unter großen Schwierigkeiten entrinnen können. Vielfach wird von Seiten der Gruppen mit allen Mitteln versucht, Abwanderung zu unterbinden und frühere Mitglieder unter Druck zu setzen.”

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Enquete-Kommission “So genannte Sekten und Psychogruppen” des Deutschen Bundestages

Aufgeschreckt durch Selbstmordaktionen, Terroranschläge und Beschwerden der Bevölkerung, hat der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission “So genannte Sekten und Psychogruppen” eingesetzt.
Die erhebliche Zunahme so genannter Sekten und Psychogruppen erfordere es, die Entstehung und Ausbreitung dieser Organisationen und das damit anwachsende vielschichtige Gefahren- und Konfliktpotential zu untersuchen, um den aktuellen und absehbaren Handlungsbedarf festzustellen sowie Empfehlungen für notwendige politische Entscheidungen zu geben.

In Petitionen geführte Klagen betrafen vor allem:

  • das Innenverhältnis dieser Organisationen sowie ihrer Untergliederungen zu ihren Mitgliedern;
  • die durch bestimmte Praktiken und Ziele dieser Organisationen hervorgerufenen unterschiedlichen Gefährdungen für Mitglieder und die Gesellschaft;
  • die Inanspruchnahme dieser Organisationen für von ihnen verursachte finanzielle, soziale und gesundheitliche Schäden;
    die missbräuchliche Ausnutzung staatlich gewährter Vorteile für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bei der Verfolgung wirtschaftlicher Zielsetzungen.

In der Bundesrepublik gibt es nach einer repräsentativen INFRATEST-Umfrage 800.000 Personen, die sich selbst als Mitglied oder Anhänger einer neuen religiösen/weltanschaulichen Bewegung oder Psychogruppe bzw. einer solchen Gruppe nahe stehend. bezeichnen. Zu der Frage nach dem Namen der Gruppierung verweigerten 73 % die Antwort.

Merkmale von “Sekten und “Psychogruppen”

  • Absolutheitsanspruch: Die Gruppe behauptet, die einzig wirksame Heilsmethode, den einzigen oder besten Weg zur geistigen oder religiösen Läuterung zu haben.
  • Führerfigur: Der Organisation steht ein Führer, Gründer, Guru, Prophet oder Messias vor, der die absolute Wahrheit darstellt oder als deren Mittler auftritt und von den Anhängern entsprechend verehrt wird.
  • Erlösungsrezept: Die Gruppe bietet ein einfaches Heilsrezept oder eine einfache Heilstheorie an. Den Mitgliedern wird Erleuchtung oder Erlösung,die persönliche Vollkommenheit oder gar die absolute geistige Freiheit versprochen.
  • Heilsversprechungen: Versprechungen werden gemacht und große Erwartungen, wie z.B. ein sicherer Platz im Himmel oder Heilung von schwerer Krankheit, geweckt.
  • Totalitärer Anspruch: Totalitäre Gruppen und “absolute  Wahrheiten” dulden keine Zweifel und keine Kritik.
  • Gruppendruck: Die Gruppe übt einen starken Einfluss auf die Mitglieder, die sich unterordnen müssen, aus.
  • Die Anhänger glauben Auserwählte zu sein, einer Elite anzugehören, die das Heilsprinzip verwirklichen muss.
  • Gruppenstruktur: Die Organisation ist nach einer straffen Hierarchie aufgebaut. Von den Untergebenen wird Gehorsam und Disziplin verlangt.
  • Missionierungsdrang: Die Mitglieder werden mit moralischem Druck angehalten oder gedrängt, neue Mitglieder zu werben und das Heilskonzept in die Welt zu tragen. Die Weiterverbreitung der Lehre gehört zu den zentralen Tätigkeiten.
  • Soziale Abkapselung: In der Gruppe finden sich die Guten, während die draußen zu den Bösen zählen. Eltern und Angehörige werden gemieden, weil sie sowenig Verständnis für die “wahre Sendung” haben und nur als Versuchung verstanden werden können, den Anhänger wieder vom “rechten Weg” abzubringen.
  • Außergewöhnliche Kulthandlungen: Die Gruppe pflegt seltsame oder maßlose Rituale, Selbstkasteiungen, etc.
  • Wirtschaftliche Ziele: Geld (auch “Sammeln”) oder Häuser und andere materielle Dinge sind – insbesondere für die Führerfigur – wichtig. Die Mitglieder werden ausgenützt oder arbeiten für die Gruppe überdurchschnittlich viel gegen eine geringe Entlohnung.

 

Einige dieser Kriterien treffen u. U. auch für Einrichtungen der etablierten Religionen zu.

Sollten aber mehrere zutreffen, ist bei den entsprechenden Gruppierungen zur Vorsicht zu raten!

“Die Gretchenfrage ist nicht, wie es die Gruppen mit der Religion halten, sondern mit der Würde des Menschen, mit seiner Freiheit, mit der psychischen und materiellen Unantastbarkeit.”

Wilhelm Knackstedt
Sektenbeauftragter, Hannover

Therapeuten sollten folgende Kriterien beherzigen:

  • Der Therapeut wahrt bei der Unterstützung des Klienten in dessen eigener Entwicklung seine persönlichen,spirituellen und fachlichen Grenzen.
  • Vermengung therapeutischer Beziehung mit privaten oder geschäftlichen wird vermieden. Ausbeutung in sexueller, materieller, emotionaler, spiritueller, hierarchischer, ideologischer oder ökonomischer Hinsicht wirdabgelehnt.
  • Die emotionale, physische, mentale und spirituelle Autonomie der Klienten wird respektiert und diesem wird dieWahl der therapeutischen Intervention freigestellt.
  • Die Art, Dauer, Kosten und eventuelle Erstattungsmöglichkeiten der Therapie werden klar und deutlich erklärt.
  • Therapeuten vermeiden Werbung für Veranstaltungen sektenähnlicher Gruppierungen.
  • Der Therapeut bietet dem Klienten die Zusammenarbeit mit dem sozialen Umfeld, Freunden und Familie des Klienten an. Dies kann auch einen eventuellen Ausstieg des Klienten aus einer “Sekte” unterstützen.
  • Der Therapeut wirkt der Entwicklung von Abhängigkeit des Klienten von der Therapie bzw. dem Therapeuten entgegen. Er vermeidet es, sich selbst zur Führerfigur stilisieren zu lassen.

 

Quelle: http://klaus-john.de/html/sekten_.html